Kommentar zur Rede des ukrainischen Präsidenten Selenski auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 19. Februar 2022 Kurzfassung: Die von Selenski mit einer ukrainischen Aufkündigung des Budapester Memorandums in Aussicht gestellte Anschaffung von Atomwaffen dürfte der entscheidende Grund für die darauf folgenden russischen Maßnahmen sein: Die Anerkennung der Republiken des Donbass und der eher formal darauf gestützte Angriff auf die Ukraine mit dem realen Zweck der Demilitarisierung. Atomwaffen in den Händen einer irrational agierenden ukrainischen Staatführung sind für Russland selbstredend vollkommen inakzeptabel. Ukrainische Realitätsblindheit wird in Selenskis Rede an mehreren Stellen deutlich, etwa darin, dass er allein die internationale Sicherheitsarchitektur für den seit 2014 anhaltenden Donbass-Krieg verantwortlich macht, keineswegs aber den Maidan-Putsch und den vom einstigen Ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk erteilten Befehl zum Krieg ("Antiterroreinsatz") gegen die russische Minderheit im Land. Realitätsfremd ist auch, dass Selenski diesen Bürgerkrieg als Krieg gegen Russland wertet. Er ist sogar überzeugt, Russland militärisch die vergangenen acht Jahre niedergehalten und so den Rest Europas vor russischer Aggressivität geschützt zu haben. Damit überschätzt er nicht nur die Schlagkraft des ukrainischen Militärs ganz gewaltig sondern verkennt auch katastrophal die russischen Interessen. Dass die Lösung innerukrainischer Probleme von den ukrainischen Konfliktparteien zu leisten ist, wird von ukrainischer Seite regelmäßig geleugnet. Auch Selenski will des Konflikt mir der russischen Minderheit in der Ukraine vor allem in Gesprächen mit Russland aushandeln, obwohl die Minsker Vereinbarungen explizit eine Übereinkunft zwischen den Bürgerkriegsparteien fordern, nicht aber zwischen Kiew und Moskau. Hatte Selenski noch unserem Bundeskanzler Scholz versprochen, die von Minsk2 geforderten (d.h. mit der anderen Konfliktpartei abgestimmten!) Gesetzentwürde vorzulegen, so rückt er in seiner Münchner Rede davon wieder ab und meint sinngemäß, das sei doch längst passiert - eine schlichte Lüge, zumindest was die Abstimmung mit den Separatisten betrifft. Statt dessen wünscht er ganz offensichtlich die Rückeroberung des Donbass und der Krim durch eine NATO-Mitgliedschaft. Oder eben durch die ukrainische Atombombe. Wer so intensiv mit dem Feuer spielt, soll sich bitte nicht wundern, wenn ein Brand entsteht. Es ist bedauerlich, dass diese entscheidende Rede Selenskis in der westlichen Wahrnehmung vollkommen untergeht. Hier der Wortlaut: eine englische Übersetzung: https://www.president.gov.ua/en/news/vistup-prezidenta-ukrayini-na-58-j-myunhenskij-konferenciyi-72997 da die Seite derzeit offline ist, hier der zugehörige Schnappschuss eines Archivdienstes: https://web.archive.org/web/20220219211250/https://www.president.gov.ua/en/news/vistup-prezidenta-ukrayini-na-58-j-myunhenskij-konferenciyi-72997 eine schlechte deutsche google-Übersetzung: https://www.berliner-zeitung.de/welt-nationen/selenskyj-einer-von-uns-luegt-li.212932 Ich werde im Folgenden sukzessive - wie ich Zeit erübrigen kann - die englische Version von president.gov.ua etwas ausführlicher kommentieren. Speech by the President of Ukraine at the 58th Munich Security Conference 19 February 2022 - 18:14 Kommentar: Für den 20.Februar, den Tag nach der ukrainischen Atombombendrohung, hatte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan die Invasion Russlands in die Ukraine vorhergesagt. Man war sich also bewusst, dass die ukrainischen Atomwaffen, mit denen Selenski auf der Münchner Sicherheitskonferenz drohen würde, für Russland vollkommen unakzeptabel sind. Biden hatte auf den 16. Februar als Invasionstermin getippt, den Tag, nachdem die Ukraine eine große Menge Dosimeter bei der NATO ordern würde. Dosimeter braucht man zur Messung der Strahlenbelastung, sind also für nukleare Kriegsführung ganz nützlich. Eine dritte westliche Terminierung des russischen Einmarsches tippte auf den Januar dieses Jahres. Hintergrund könnte da die Neujahrsansprache Selenskis gewesen sein, in der er davon sprach, dass ukrainische Soldaten im neuen Jahr Selfies auf der Krim und im Donbass machen würden, ganz friedlich. Damals konnte man das noch als eine weitere der vielen ukrainischen Irrationalitäten werten. Die traditionell russlandfreudnliche Junge Welt fragte allerdings schon damals: "Ist das nur Lyrik eines Politschauspielers?" (https://www.jungewelt.de/artikel/417688.bedingter-vorsatz.html). Heute indes ist klarer, wie Selenski die ukrainischen Soldaten kampflos auf die Krim und in den Donbass schicken wollte: Mit einer eigenen Atomstreitmacht im Rücken und abgestimmt mit den westlichen Atommächten. Speech by the President of Ukraine at the 58th Munich Security Conference Ukraine wants peace. Europe wants peace. The world says it doesn't want to fight, and Russia says it doesn't want to attack. Someone is lying. This is not an axiom, but it is no longer a hypothesis. Ladies and Gentlemen! Two days ago I was in Donbas, on the delimitation line. Legally - between Ukraine and the temporarily occupied territories. In fact, the delimitation line between peace and war. Where on the one side there is a kindergarten, and on the other side there is a projectile that hit it. On the one side there is a school, on the other side there is a projectile hitting the school yard. Kommentar: Von einer Okkupation des Donbass zu reden, lässt außer Betracht, dass es zunächst durchaus allein die ortsansässige Bevölkerung im Donbass war, die sich gegen die Zwangsukrainisierung wehrte, und zwar mit denselben Methoden wehrte, die auch die Maidanaktivisten 2014 gegen den ehemaligen Präsidenten Janukowitsch angewandt hatten, etwa der Plünderung von Waffendepots in Polizei- und Militärkasernen. Dass Nationalisten aus Russland von diesem Kampf der russischen Minderheit gegen die ukrainische Mehrheit angezogen wurden und gegen Kiew mitkämpften, kann zwar nicht geleugnet werden. Darauf dürfte die Rede von der "Okkupation" abzielen. Sie lässt aber außen vor, dass auch die Kiewer Seite Fremdenlegionäre kämpfen ließ und auch heute wieder anwirbt. Was man selber praktiziert, muss man auch anderen zugestehen. Übrigens: Auch Janukowitschs Regierung wurde von Maidan-Aktivisten als Okkupationsregime gewertet. Und Janukowitsch war ganz normal mit auch von westlicher Seite anerkannten Wahlen an die Macht gekommen. And next to it there are 30 children who go… no, not to NATO, but to school. Someone has physics classes. Knowing its basic laws, even children understand how absurd the statements that the shelling is carried out by Ukraine sound. Someone has math classes. Children can calculate the difference between the number of shelling occasions in these three days and the occasions of mentioning Ukraine in this year's Munich Security Report without a calculator. And someone has history classes. And when a bomb crater appears in the school yard, children have a question: has the world forgotten its mistakes of the XX century? Kommentar: Das hier geschilderte und sehr bedauerliche Leid der Bevölkerung betrifft genauso und wahrscheinlich noch viel mehr die östliche Seite der Demarkationslinie. Ein Bericht der OSZE hat im November 2020 festgestellt, dass drei Viertel der zivilen Opfer des Krieges auf das Konto der ukrainischen Armee gehen (https://www.anti-spiegel.ru/2021/wie-ukrainische-regierung-sagt-sich-offen-von-ihren-mitbuergern-im-donbass-losgelassen/). What do attempts at appeasement lead to? As the question "Why die for Danzig?" turned into the need to die for Dunkirk and dozens of other cities in Europe and the world. At the cost of tens of millions of lives. Kommentar: Wenn man nicht mehr weiter weiß, bemüht man Hitler. Man muss doch genauso fragen, wohin "Appeasement" gegenüber den mordenden Maidan-Banden geführt hätte. Die Massaker von Odessa am 2. Mai 2014 oder von Mariupol am 9.Mai 2014 verdeutlichen die Lebensgefahr für die russisch orientierte Minderheit in der Ukraine. Russland hat kürzlich eine umfangreiche Dokumentation über die russophoben Scheußlichkeiten in der Ukraine seit 2014 herausgegeben. Vgl. https://docs.yandex.ru/docs/view?url=ya-disk-public%3A%2F%2FcqwHyxDyGj8pKKiT85h%2BXyZfVmryi2RCwP6Azyxc5tjXUcsS9KvfYLwto%2F%2B0XSPsq%2FJ6bpmRyOJonT3VoXnDag%3D%3D&name=The%20Truth%20Behind%20Events%20in%20Ukraine%20and%20Donbass.pdf (Vorsicht: grausame Bilder!). Man kann darüber streiten, ob diese Doku den russischen Vorwurf der Gefahr eines Völkermordes gegen die Bewohner des Donbass hinreichend stützt. Die Doku mag ein mehr als hinreichender Beleg sein, richtet man sich nach den Maßstäben, die bei den westlichen Völkermord-Vorwürfen gegen Belgrad 1999 zur Anwendung kamen. Nach dem nüchternen Wortlaut der Völkermorddefinition in internationalen Verträgen war allerdings weder das serbische Vorgehen gegen Kosovarische Terroristen noch das ukrainische Vorgehen gegen russische Separatisten im Donbass ein Völkermord. Maßgeblich sind da Artikel 2 der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 sowie fast gleichlautend Artikel 6 des Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs von 1998. Kennzeichnend für Völkermord ist demnach u.a. die "Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden" an Mitgliedern einer ethnischen Gruppe mit dem Ziel, diese Gruppe "ganz oder teilweise zu zerstören". Ob achtjähriger Dauerbeschuss, die Aufforderung von ukrainischer Seite zur Auswanderung nach Russland oder die Streichung aller Sozialleistungenformal dem Kriterium für Völkermord genügen, kann ich nicht beurteilen. These are terrible lessons of history. I just want to make sure you and I read the same books. Hence, we have the same understanding of the answer to the main question: how did it happen that in the XXI century, Europe is at war again and people are dying? Why does it last longer than World War II? How did we get to the biggest security crisis since the Cold War? For me, as the President of a country that has lost part of the territory, thousands of people and on whose borders there are now 150,000 Russian troops, equipment and heavy weapons, the answer is obvious. Kommentar: Es leben nicht nur tausende sondern Millionen von Menschen im Donbass und auf der Krim. Werden die russischsprachigen Bürger von Selenski nicht als ukrainische Bürger mitgezählt? Weiter unten redet Selenski korrekt von Millionen. Gäbe es nicht so viele weitere Irrationalitäten in seiner Rede, könnte man es ja als einfachen Flüchtigkeitsfehler abtun. Real aber wird man es als weiteres - freilich nur kleines - Indiz für die Unzurechnungsfähigkeit ukrainischer Politik werten müssen. The architecture of world security is fragile and needs to be updated. The rules that the world agreed on decades ago no longer work. They do not keep up with new threats. They are not effective for overcoming them. This is a cough syrup when you need a coronavirus vaccine. The security system is slow. It crashes again. Because of different things: selfishness, self-confidence, irresponsibility of states at the global level. As a result, we have crimes of some and indifference of others. Indifference that makes you an accomplice. It is symbolic that I am talking about this right here. It was here 15 years ago that Russia announced its intention to challenge global security. What did the world say? Appeasement. Result? At least - the annexation of Crimea and aggression against my state. Kommentar: Bereits einleitend habe ich erwähnt, dass Selenski die Sicherheitsarchitektur der Welt für den ukrainischen Bürgerkrieg verantwortlich macht und allen ukrainischen Russenhass ausblendet. Das geht natürlich nicht. 2014 waren die russisch und die westlich orientierten ukrainischen Bevölkerungsteile etwa gleich groß. Dass eine Hälfte die andere gewaltsam dominieren wollte, das konnte nicht gut gehen. Das hat nichts mit der internationalen Sicherheitsarchitektur zu tun, dafür aber ganz viel mit Mangel an innerukrainischer Diskussionskultur. Noch heute weigert sich Kiew, mit seiner russischen Minderheit zu verhandeln, s.u. Die auch im Westen verbreitete Formulierung von der vorgeblichen "Annexion" der Krim ist sehr fragwürdig. Annektieren bedeutet laut Duden, etwas gewaltsam und widerrechtlich in seinen Besitz zu bringen. Die Krim hat sich mit demselben Recht von der Ukraine gelöst wie der Kosovo von Serbien. Von Widerrechtlichkeit kann also keine Rede sein. Zumindest solange man den Kosovo als Staat anerkennt. Auch von Gewalt bei der Sezession der Krim von der Ukraine kann keine Rede sein. Ich kann mich nur an zwei Todesopfer erinnern, das ist kein Vergleich zu den hunderten und tausenden Todesopfern, die der NATO-Krieg zur Abspaltung des Kosovo von Serbien oder die das westukrainische Dominanzstreben in der Ukraine anderwärts, insbesondere im Donbass gefordert hatte. Das Wort von der "Annexion" der Krim ist von daher eine leere Propagandahülse. The UN, which is supposed to defend peace and world security, cannot defend itself. When its Charter is violated. When one of the members of the UN Security Council annexes the territory of one of the founding members of the UN. And the UN itself ignores the Crimea Platform, the goal of which is to de-occupy Crimea peacefully and protect the rights of Crimeans. Three years ago, it was here that Angela Merkel said: “Who will pick up the wreckage of the world order? Only all of us, together." The audience gave a standing ovation. But, unfortunately, the collective applause did not grow into collective action. And now, when the world is talking about the threat of a great war, the question arises: is there anything left to pick up? The security architecture in Europe and the world is almost destroyed. It's too late to think about repairs, it's time to build a new system. Mankind has done this twice, paying too high a price - two world wars. We have a chance to break this trend until it becomes a consistent pattern. And start building a new system before millions of victims. Having the old lessons of the First and Second World Wars, not our own experience of the possible third, God forbid. Kommentar: Verantwortlich für den ersten und zweiten Weltkrieg waren meiner Meinung nach nationalistischer Überschwang und das Bestreben, andere zu dominieren. Dominanzgebaren hat auch die internationale Sicherheitsarchitektur nach dem Ende des Kalten Krieges zerstört, etwa mit den völkerrechtswidrigen Kriegen der westlichen Staaten gegen Serbien (1999), einem Verbündeten Russlands, oder gegen den Irak (2003). Dazu kam, dass vom Westen diverse Rüstungskontrollvereinbarungen aufgekündigt wurden, etwa der ABM-Vertrag - vorgeblich zum Schutz vor dem Iran, faktisch aber vermutlich, um Russland und China besser bedrohen zu können. Derartiges Dominanzstreben muss eingehegt werden, und die Ukraine täte gut daran, in ihrem eigenen Land damit anzufangen, nämlich von gleich zu gleich mit seiner eigenen russisch orientierten Minderheit in Gespräche einzutreten, um die einer Minderheit völkerrechtlich zustehende Selbstbestimmung und Autonomie endlich auf den Weg zu bringen. I talked about it here. And on the rostrum of the UN. That in the XXI century there are no more foreign wars. That the annexation of Crimea and the war in Donbas affects the whole world. And this is not a war in Ukraine, but a war in Europe. I said this at summits and forums. In 2019, 2020, 2021. Will the world be able to hear me in 2022? This is no longer a hypothesis, but not an axiom yet. Why? Evidence is needed. More important than words on Twitter or statements in the media. Action is required. It is the world that needs it, not just us. We will defend our land with or without the support of partners. Whether they give us hundreds of modern weapons or five thousand helmets. We appreciate any help, but everyone should understand that these are not charitable contributions that Ukraine should ask for or remind of. These are not noble gestures for which Ukraine should bow low. This is your contribution to the security of Europe and the world. Where Ukraine has been a reliable shield for eight years. And for eight years it has been rebuffing one of the world's biggest armies. Which stands along our borders, not the borders of the EU. Kommentar: Dass die ukrainische Armee den Rest Europas acht Jahre lang vor Russland geschützt hätte, klingt recht überdreht. Sie ist dafür nicht stark genung. Und weder Russland noch Putin haben ein Interesse an militärischer Eroberung anderer Länder. Russland geht es zwar durchaus um den Schutz russischer Minderheiten, die durch den Zerfall der Sowjetunion nicht mehr unter russischer Herrschaft stehen. So werden/wurden russische Minderheiten ja nicht nur in der Ukraine sondern auch in den baltischen Staaten diskriminiert. Dass Putin das bedauert, bedeutet aber nicht, dass er die Sowjetunion wieder herstellen will. Das sagt Putin immer wieder. And Grad rockets hit Mariupol, not European cities. And after almost six months of fighting, the airport in Donetsk was destroyed, not in Frankfurt. And it's always hot in the Avdiivka industrial zone - it was hot there in the last days, not in Montmartre. And no European country knows what military burials every day in all regions are. And no European leader knows what regular meetings with the families of the deceased are. Be that as it may, we will defend our beautiful land no matter if we have 50,000, 150 or one million soldiers of any army on the border. To really help Ukraine, it is not necessary to say how many servicemen and military equipment are on the border. Say what numbers we have. To really help Ukraine, it is not necessary to constantly talk only about the dates of the probable invasion. We will defend our land on February 16, March 1 and December 31. We need other dates much more. And everyone understands perfectly well which ones. Kommentar: Die vielen Terminvorhersagen für die vorgeblich anstehende Invasion wirkten auf mich zunächst sehr kurios. Erst Selenskis Drohungen mit Atomwaffen geben den Terminen einen Sinn. Die Drohungen wird Selenski nicht nur regierungsintern sondern auch mit Partnerländern im Westen vorher abgestimmt haben. Ich vermute, dass Russlands Geheimdienste über diesen Abstimmungsprozess oder gar über konkrete Arbeiten zur Herstellung einer ukrainischen Atombombe lange vor Selesnkis Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zumindest grob im Bilde waren. Das würde zumindest das teils realitätsferne Ausmaß der Sicherheitsgarantien erklären, die Russland sich von den westlichen Ländern erbeten hatte. Die westliche Antwort wurde von El-Pais veröffentlicht, man kann sie aus meiner Sicht ganz kurz zusammenfassen: Den Westen interessiert die Sicherheit Russlands nicht die Bohne, auch wenn (um Russland hinzuhalten?) in nebensächlichen Punkten ein paar Verhandlungsangebote gemacht wurden. Das könnte von Russland dann als weiteres Indiz für ein westliches ok zur ukrainischen Atombombe interpretiert worden sein. Die Korrelation zwischgen Terminvorhersagen ukrainischen Atomwaffendrohungen lässt sich zwar auch als öffentliche Warnung an die Ukraine deuten, die Drohungen zu unterlassen. Das scheint mir allerdings unplausibel, da man hinter verschlossenen Türen viel effizienter drohen kann. Tomorrow in Ukraine is the Day of the Heroes of the Heavenly Hundred. Eight years ago, Ukrainians made their choice, and many gave their lives for that choice. Eight years later, should Ukraine constantly call for recognition of the European perspective? Since 2014, Russia has been convincing that we have chosen the wrong path, that no one is waiting for us in Europe. Shouldn't Europe constantly say and prove by action that this is not true? Shouldn't the EU say today that its citizens are positive about Ukraine's accession to the Union? Why do we avoid this question? Doesn't Ukraine deserve direct and honest answers? Kommentar: Das Massaker vom Maidan 2014 ist bis heute nicht aufgeklärt. Viel spricht dafür, dass ein Großteil nicht von den Sicherheitskräften Janukowitschs erschossen wurde sondern von Scharfschützen der Aufständischen, die mit den Schüssen in die Rücken der Demonstranten die zum Putsch führende gewaltsame Auseinandersetzung starten wollten. Statt die Opfer als Helden zu verklären, wäre es aus meiner Sicht viel angemessener, die wahren Schützen zu ermitteln und vor Gericht zu stellen. Eine EU-Mitgliedschaft ist schon allein wegen der Beistandsklausel Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags angesichts der provokativen (Atomwaffendrohung) und wenig demokratischen (Verweigerung der Selbstbestimmungsrechte für Minderheiten) Politik der Ukraine problematisch. Durch ungelöste Gebietsstreitigkeiten wäre stets in ungesunder Weise strittig, ob der Verteidigungsfall vorliegt oder nicht. Dazu kommt das enorme Gefälle der wirschaftlichen Leistungsfähigkeit, was die ohnehin schon zum Bersten gespannte Situation in der EU (Griechenlandkrise....) zusätzlich belasten würde. This also applies to NATO. We are told: the door is open. But so far authorized access only. If not all members of the Alliance want to see us or all members of the Alliance do not want to see us, be honest. Open doors are good, but we need open answers, not open questions for years. Isn't the right to the truth one of our enhanced opportunities? The best time for it is the next summit in Madrid. Auch NATO-seitig ist man zu Recht vorsichtig bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern mit ungelösten Gebietsstreitigkeiten. Russia says Ukraine seeks to join the Alliance to return Crimea by force. It is gratifying that the words "return Crimea" appear in their rhetoric. But they inattentively read Article 5 of the NATO Charter: collective action is for protection, not offensive. Crimea and the occupied regions of Donbas will certainly return to Ukraine, but only peacefully. Die ukrainische Militärdoktrin sagt offenbar etwas anderes: https://www.anti-spiegel.ru/2022/donezk-beweise-fuer-angriffsplaene-der-ukraine-auf-basis-von-nato-daten-gefunden/ (Anm: das vorgeblich gefundene notebook mit ukrainischen Angriffsplänen sollte nur mit Vorsicht gesehen werden, im Krieg lügen alle Seiten) Ukraine consistently implements the Normandy agreements and the Minsk agreements. Their foundation is the unquestionable recognition of the territorial integrity and independence of our state. We seek a diplomatic settlement of the armed conflict. Note: solely on the basis of international law. Die von den Minsker Vereinbarungen verlangten diversen Übereinkünfte Kiews mit den Vertretern von Donezk und Lugansk gibt es nicht. Und sie kann es auch nicht geben, solange Kiew auf Verhandlungen mit Moskau fokussiert ist statt auf Verhandlungen mit der anderen Bürgerkriegspartei. Hier die Minsker Vereinbarungen: https://www.bpb.de/201881/dokumentation-das-minsker-abkommen-vom-12-februar-2015/ So what is really going on in the peace process? Two years ago, we agreed with the Presidents of France, the Russian Federation, the Chancellor of Germany on a full-scale ceasefire. And Ukraine is scrupulously adhering to these agreements. We are as restrained as possible against the background of constant provocations. We are constantly making proposals in the framework of the Normandy Four and the Trilateral Contact Group. And what do we see? Shells and bullets from the other side. Our soldiers and civilians are being killed and wounded, and civilian infrastructure is being destroyed. Kommentar: Vorschläge reichen nicht aus, man muss auch die Interessen der anderen Bürgerkriegspartei darin berücksichtigen. The last days have become especially illustrative. Hundreds of massive shelling occasions with weapons prohibited by the Minsk agreements. It is also important to stop restricting the admission of OSCE observers to Ukraine's TOT. They are threatened. They are intimidated. All humanitarian issues are blocked. Two years ago, I signed a law on the unconditional admission of representatives of humanitarian organizations to detainees. But they are simply not admitted to the temporarily occupied territories. After two exchanges of captives, the process was blocked, although Ukraine provided agreed lists. Inhuman torture at the infamous Isolation Prison in Donetsk has become a symbol of human rights abuses. Kommentar: Jede Kriegspartei schildert die andere als brutal und unmenschlich. Überall auf der Welt. The two new checkpoints we opened in November 2020 in the Luhansk region still do not function - and here we see outright obstruction under contrived pretexts. Ukraine is doing everything possible to reach progress in discussions and political issues. In the TCG, in the Minsk process, we’ve put forward proposals - draft laws, but everything is blocked - no one talks about them. Ukraine demands to unblock the negotiation process immediately. But this does not mean that the search for peace is limited to it alone. We are ready to look for the key to the end of the war in all possible formats and platforms: Paris, Berlin, Minsk. Istanbul, Geneva, Brussels, New York, Beijing - I don't care where in the world to negotiate peace in Ukraine. It does not matter if four countries, seven or a hundred participate, the main thing is that Ukraine and Russia are among them. What is really important is the understanding that peace is needed not only by us, the world needs peace in Ukraine. Peace and restoration of territorial integrity within internationally recognized borders. This is the only way. And I hope no one thinks of Ukraine as a convenient and eternal buffer zone between the West and Russia. This will never happen. Nobody will allow that. Kommentar: Die Minsker Abkommen sehen Russland nicht als Konfliktpartei im Donbass. Das ist von Kiew unterschrieben worden. Warum gilt das nicht mehr? Verhandlungen müssen in erster Linie zwischen Lugansk und Kiew sowie zwischen Donezk und Kiew geführt werden. Russland ist keineswegs der Hauptverhandlungspartner. Otherwise - who's next? Will NATO countries have to defend each other? I want to believe that the North Atlantic Treaty and Article 5 will be more effective than the Budapest Memorandum. Kommentar: Mit dem Budapester Memorandum (https://en.wikisource.org/wiki/Ukraine._Memorandum_on_Security_Assurances) hatte die Ukraine auf ihre Atomwaffen verzichtet und dafür Sicherheitsgarantien erhalten. Das Budapester Memorandum ist der wikipedia zufolge zwar in der Tat nicht verbindlich. Aber selbst, wenn es verbindlich wäre, würde es nur bei interstaatlichen Konflikten greifen, nicht aber bei den innerstaatlichen Auseinandersetzungen des Jahres 2014. Pointiert formuliert: Das Budapester Memorandum ist kein Freibrief für Diskriminierung von ethnischen Minderheiten. Und es ist auch kein Freibrief für Massaker wie die von Odessa oder Mariupol. Schon gar nicht ist es ein Freibrief für den Bruch der ukrainischen Verfassung. Wie auch? Wenn die Westukrainer mit dem Maidanputsch die ukrainische Verfassung missachten "durften", dann auch die Ostukrainer mit Autonomisierung (Donbass) oder Sezession (Krim). Gleiches "Recht" für alle! Sonderrechte für Minderheiten sind als Selbstbestimmungsrecht der Völker mehrfach im Völkerrecht kodifiziert, etwa in den Artikeln 1 und 55 der UN-Charta, im Artikel 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte von 1966 oder im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Diese Rechte werden vom Budapester Memorandum nicht außer Kraft gesetzt. Wer sie nicht zu sehr missachtet, hat von Russland nichts zu befürchten. Wer sie indes massiv missachtet, muss die Konsequenzen tragen. Präzedenzfall ist die Sezession des Kosovo von Serbien, die vom IGH als rechtmäßig beurteilt wurde (https://www.europa.steiermark.at/cms/beitrag/11308771/3084244/). Nach der Sezession der Krim von der Ukraine 2014 bestand die Ukraine demnach also nur noch aus den Landgebieten ohne Krim. Die Grenzen dieser neu formierten Ukraine (existing borders of Ukraine, wie es im Budapester Memorandum heißt) sind von Russland mit der Aufnahme des selbständigen Staates Krim in die Russische Föderation nicht verletzt worden, mithin liegt - nach russischer Ansicht - auch keine Verletzung des ersten Punktes des Budapester Memorandums vor, der die "existing borders" garantiert. Auch der zweite Punkt des Budapester Memorandums wurde nicht verletzt. Er verbietet "use of force against the territorial integrity" der Ukraine. Die Krim ist aus eigenem Willen und ohne jede Gewaltanwendung zur Russischen Föderation gewechselt, ein Verbleib in der Ukraine hätte dagegen unendliche Gewalt bedeutet, wie Kiew im Donbass bewies. Das Budapester Memorandum schließt Gewaltanwendung zur Selbstverteidigung ausdrücklich nicht aus. Der aktuelle russische Eimarsch in die Ukraine wird denn auch formal mit dem Selbstverteidigungsrecht der Donbassrepubliken gerechtfertigt. Im Hintergrund dürfte freilich die russische Verteidigung gegen die von der Ukraine angedrohten Atomwaffen der Hauptgrund für den umfassenden Charakter der Invasion darstellen. Ukraine has received security guarantees for abandoning the world's third nuclear capability. We don't have that weapon. We also have no security. We also do not have part of the territory of our state that is larger in area than Switzerland, the Netherlands or Belgium. And most importantly - we don’t have millions of our citizens. We don’t have all this. Kommentar: Oben war noch von tausenden die Rede. Therefore, we have something. The right to demand a shift from a policy of appeasement to ensuring security and peace guarantees. Since 2014, Ukraine has tried three times to convene consultations with the guarantor states of the Budapest Memorandum. Three times without success. Today Ukraine will do it for the fourth time. I, as President, will do this for the first time. But both Ukraine and I are doing this for the last time. I am initiating consultations in the framework of the Budapest Memorandum. The Minister of Foreign Affairs was commissioned to convene them. If they do not happen again or their results do not guarantee security for our country, Ukraine will have every right to believe that the Budapest Memorandum is not working and all the package decisions of 1994 are in doubt. Kommentar: Das Budapester Memorandum wurde 1994 vereinbart. Selenski kündigt es hier also auf ("in doubt"). Die Frage für Russland ist nun, ob und wie schnell die Ukraine sich atomar bewaffnen wird und wie rational sie den Einsatz dieser Waffen planen bzw. vermeiden wird. Von Rationalität ist zumindest in der hier kommentierten Rede Selenskis viel zu wenig zu finden, und es sollte selbstverständlich sein, dass Atomwaffen in den Händen irrationaler Akteure weit weniger akzeptabel sind als in den Händen rationaler Akteure. Für Timoschenko war es seinerzeit klar: "Damn, we should fire nukes at them" (https://www.youtube.com/watch?v=oEFCmJ-VGhA), ist die Bombe da, wird sie offenbar auch ganz schnell eingesetzt. Bei der Frage, wie schnell die Ukraine Atomwaffen erlangen könnte, muss man differenzieren. Nach russischen Angaben besitzt die Ukraine noch die Kenntnisse und technischen Anlagen zur Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass so eine Atombombe innert eines Jahres produziert wäre, aber innerhalb dieses Jahres wollte Selenski die Krim und den Donbass wieder in ukrainischen Besitz bringen, so seine Neujahrsansprache (https://bb-cntv.com/zelensky-promised-photos-of-the-ukrainian-military-from-crimea-ukraine-former-ussr-lenta-ru/). Als Alternative käme da eine schmutzige Bombe in Frage, die lässt sich im Handumdrehen produzieren. Oder die USA stellen der Ukraine Atomwaffen zur Verfügung. Sie haben zwar gesagt, das nicht anzustreben. Aber sie hatten einst ja auch versprochen, dass es keine NATO-Osterweiterung gegen solle. So ein Versprechen ist also nichts wert. Die Start- und Landebahnen am Kiewer Flughafen sind für amerikanische B-52-Atombomber ausreichend lang. Auch von daher war es für Russland zwingend, zunächst derartige Flughäfen auszuschalten. Und natürlich Atomanlagen wie Tschernobyl mit den Plutoniumbeständen unter Kontrolle zu bringen. I also propose to convene a summit of permanent members of the UN Security Council in the coming weeks with the participation of Ukraine, Germany and Turkey in order to address security challenges in Europe. And elaborate new, effective security guarantees for Ukraine. Guarantees today, as long as we are not a member of the Alliance and in fact are in the gray zone - in a security vacuum. What else can we do now? Continue to effectively support Ukraine and its defense capabilities. Provide Ukraine with a clear European perspective, the tools of support available to candidate countries, and clear and comprehensive timeframes for joining the Alliance. Support the transformation in our country. Establish a Stability and Reconstruction Fund for Ukraine, a land-lease program, the supply of the latest weapons, machinery and equipment for our army - an army that protects the whole of Europe. Develop an effective package of preventive sanctions to deter aggression. Guarantee Ukraine's energy security, ensure its integration into the EU energy market when Nord Stream 2 is used as a weapon. Kommentar: in puncto Nord Stream 2 könnte unser Bundeskanzler einen schweren Fehler begangen haben. Er wusste, wie sehr sowohl die USA als auch die Ukraine die Pipeline stoppen wollen. Und da verrät er ihnen, wie sie das erreichen können: Wenn Putin die Ukraine angreife, sei das das Ende der Pipeline. Damit wurden die USA und die Ukraine zusätzlich motiviert, Russland durch nukleare Drohungen zum Angriff zu bewegen. Das Versprechen, die Pipeline zu stoppen, und die Forderung Russlands nach Sicherheitsgarantien (hatte Russland etwas von den Abstimmungsprozessen mitbekommen, die den fatalen späteren nuklearen Drohungen vorangegangen sein müssen?) liegen zeitlich jedenfalls ziemlich parallel. All these questions need answers. So far we have silence instead of them. And as long as there is silence, there will be no silence in the east of our state. That is - in Europe. That is - in the whole world. I hope the whole world finally understands this, Europe understands. Ladies and Gentlemen! I thank all the states that supported Ukraine today. In words, in declarations, in concrete help. Those who are on our side today. On the side of truth and international law. I'm not calling you by name - I don't want some other countries to be ashamed. But this is their business, this is their karma. And this is on their conscience. However, I do not know how they will be able to explain their actions to the two soldiers killed and three wounded in Ukraine today. And most importantly - to three girls from Kyiv. One is ten years old, the second is six, and the third is only one. Today they were left without a father. At 6 o'clock in the morning Central European Time. When the Ukrainian intelligence officer, Captain Anton Sydorov was killed as a result of artillery fire prohibited by the Minsk agreements. I don't know what he thought at the last moment of his life. He definitely didn't know what agenda someone needs to meet to end the war. But he knows exactly the answer to the question I asked at the beginning. He knows exactly who of us is lying. Kommentar: Für mich erscheint durch den Informationsnebel eine ganz andere Wahrheit: Man wollte mit Hilfe der atomaren Bedrohung nicht nur die Krim und den Donbass zurückholen sondern über den deshalb zu erwartenden russischen Angriff auch die ungeliebte Nord-Stream-2-Pipeline abschalten. Dass die USA den Russen ein zweites Afghanistan-Debakel bereiten wollen, ist anderweitig vielfach kommentiert worden. May his memory live forever. May the memory of all those who died today and during the war in the east of our state live forever. Thank you. Kommentar: In der oben verlinkten deutschen Übersetzung endet die Rede nicht mit einem "Danke" sondern mit dem Faschistengruß "Ruhm der Ukraine!". Dieser Gruß ist allen Sicherheitskräften in der Ukraine gesetzlich vorgeschrieben. Der zuerst Grüßende sagt "Ruhm der Ukraine", der Zurückgrüßende antwortet "Den Helden Ruhm". Manche übersetzen - analog zum deutschen "Heil Hitler" - auch mit "Heil der Ukraine" und "Den Helden Heil" (https://www.anti-spiegel.ru/2022/in-der-ukraine-gibt-es-keine-nazis/). Einer der heute derart geehrten ist der per Gesetz zum Helden der Ukraine gekürte Stepan Bandera, ein Nazi-Kollaborateur. Seine Miliz war 1941 "maßgeblich an Pogromen gegen die jüdische Zivilbevölkerung beteiligt", besorgte etwa die Verhaftungen für die "Massenerschießung von 3000 Juden" durch die Nazis (wikipedia.org). Ein Präsident, der selber Jude ist, macht da doch einen erstaunlichen Blödsinn mit. Von seinen anfänglichen Versprechen, den Krieg im Donbass zu beenden, von den Versprechen, für die er gewählt worden war, ist nichts übrig geblieben. Die auf militärische Lösungen drängenden Kräfte in bzw. hinter der Ukraine sind leider zu stark, als dass ein persönlich gewiss wohlwollender Präsident wie Selenski dagegen eine Chance hätte. Schade! Nach den erwähnten Absurditäten seiner Neujahrsansprache möchte ich mit einem schönen Satz Selenskis aus dieser Ansprache schließen: "as soon as we remove the demarcation line (in Donbas) from our head, it will also disappear on the map" Das ist in der Tat sehr wichtig: Der Hass auf Russen muss aufhören. Mit dem russischen Einmarsch ist das leider sehr viel schwieriger geworden.